Spuren aus der alten Zeit

Karin Holl verrät den Guntersblumern ihre Geschichte

Guntersblum – Dass vor genau 500 Jahren das Guntersblumer Gerichtssiegel aktenkundig auftauchte und das „Alte Schloss“ seit 1708 existiert, mag historischer Anlass sein für einen Empfang im Dorfgemeinschaftshaus am 31. Oktober. – Guntersblum hat zudem das Glück, mit Karin Holl eine geschichtsschreibende Enthusiastin zur Seite zu haben, die nicht der Ehre halber veröffentlicht. Ihre jüngste Publikation erfüllt gestrige Daten mit Leben. Grund genug, die Spurensucherin vorzustellen.
Bücher unter Jubiläumszwang sind keine Seltenheit. Veröffentlichungen aus Leidenschaft schon. Denn dann muss Herzblut mitschreiben.
Als Kind bereits lauschte Karin Holl der geliebten Großmutter, die vom dörflichen Alltag vor 1900 so anschaulich erzählte. Vom einer Zeit da Wasser noch am öffentlichen Brunnen geholt werden musste, sprach ihre Oma. Kerzen schienen wärmer als heutige Glühbirnen im Haus, und vor der Tür gab es noch keine Autos. – Das Interesse am Einst war geweckt, weil spannende Geschichten die Vergangenheit erhellten. Wer zuhört, vermag auch zu erzählen.
Dieser menschennahe Zugang prägt bis heute ihre lesenswerten Zeitreisen. Ob sie federführend bei der „Chronik“ zur 1100-Jahrfeier ihrer Heimatgemeinde 1997 mitwirkt oder mit einer Auswanderungsgeschichte nachweist, dass die amerikanische Unternehmerfamilie Chrysler letztlich linksrheinische Vorfahren hat: die Autorin fesselt, weil sie „persönlich“ vorgeht.
Anders als im Schulunterricht, der große Zusammenhänge, politische Ereignisse ins Zentrum rückt, richtete sie das Augenmerk auf Details. Sie erklärt Geschichte nicht theoretisch, sie versteht sie anhand von Lebensspuren.
Wer wie Karin Holl nach Wurzeln der eigenen Familie fahndet, entdeckt nicht nur Namen und Geburtstage; Arbeit und Fest, konkrete „Existenzen“. Zudem gerät das Einzelschicksal in gesellschaftliche Zusammenhänge. „Ich begann davon zu plaudern, ein Freud bat mich, meine Geschichten aufzuschreiben.“ – So begann ihr Spaß, an dem nun viele Leser teilhaben.
Seit etwa 1240 gehörte Guntersblum zur Grafschaft Leiningen, dem kleinen Nachbarn der Kurpfalz. Das eigene Gerichtssiegel wird erst nötig, als um 1500 vorher ehrenamtlich agierende adlige Hofbesitzer, die mit anderen Einwohnern über Übeltäter urteilten, ihr Amt niederlegten. „Helfrich Flücker, einer meiner frühen Familienangehörigen, war Gerichtsschöffe damals.“, erzählt Holl. Jener Ahn erlebte also mit, als erstmals das zweigeteilte Siegel mit dem Leinigischen Adler und den symbolischen Blumen Verwendung fand.
Als vor 300 Jahren der Bau des „Alten Schlosses“ seinen Abschluss fand, existierte die Garfschaft „Leinigen-Dagsburg-Falkenburg in Guntersblum“ bereits fast fünf Dekaden, aber erst der Pfälzische Erbfolgekrieg „provozierte“, dass Guntersblum Residenz wurde. Das wechselvolle Schicksal des Baus, indem sich nach 1833 die Bürgermeisterei befand und der 1972 zu Sitz der Verbandsgemeinde avancierte, ist nur ein Indikator – nicht Thema des neuen Buches.
Wilhelm Carl von Leinigen-Gutersblum hatte 1788 das „Neue Schloss“ errichten lassen, dass sofort von der gräflichen Familie bezogen wurde.
Die Erinnerungsjahre – 500 Gerichtssiegel, 300 Altes Schloss, 220 Jahre Neues Schloss“ – flankieren gewissermaßen das individuelle Jubiläum. Denn seit 25 Jahren beschäftigt sich die heute in Mühlheim (Pfalz) wahlbeheimatete Historikerin mit Guntersblum. Sie scheute den Staub der Archive zwischen Heimatgemeinde und Amorbach, Worms und Darmstadt, Speyer und Paris nicht, um Material zu sichten. Quellen zum Sprechen zu bringen aber kann nur ein Talent, das nicht nur dank Fremdenführerin „Tante Lisbeth“ im Ort bekannt ist. Über den Inhalt der neuerlichen, gedruckten Zeitreise vorerst nur soviel: „Vom leiningischen Dorf zur Residenz“ lautet der Untertitel. Mehr aber als eine Chronologie der Herrschaftsverhältnisse vom frühen 13. Jahrhundert bis zum Ende der Grafschaft in der „Franzosenzeit“ 1798 findet der Schmökernde. Auch die Guntersblumer Geschichte „von unten“ wird transparent, bedeutsame Adelshöfe erzählen, sinnlich wird der Sinn „Lauf der Zeit“ dargestellt.
Am 31. Oktober ab 19.30 Uhr füllt sich die Gemeindehalle gewiss. Unter den Ehrengästen lauschen hoch dotierte Fachwissenschaftler der so unakademisch, aber akribisch arbeitenden Kollegin genau. Politiker bestaunen die Genese des Gemeinwesens, wo sie heute Verantwortung tragen. Der Kulturverein jubelt. Vor allem aber dankt die Guntersblumer Bevölkerung, dass sie ihre Heimat besser verstehen lernen.

Neuerscheinungen

Guntersblum

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Warum wurde Peter Dürr nicht in Guntersblum, sondern in Alzey hingerichtet?
Ermordete Graf Friedrich Theodor Ludwig von Leiningen-Guntersblum seinen Bruder Emich Ludwig wirklich?
Anlässlich verschiedener Jubiläen entstand Karin Holls neues Buch heraus, das unter vielen anderen alle diese Fragen beantwortet.

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Pressestimmen

"Guntersblum hat das Glück, mit Karin Holl eine geschichtsschreibende Enthusiastin zur Seite zu haben, die nicht der Ehre halber veröffentlicht. Ihre jüngste Publikation erfüllt gestrige Daten mit Leben."

Allgemeine Zeitung Mainz